Ausgangspunkt einer Wanderung auf die Bakuninhütte war das Hotel Fronveste, wo sich 20 Teilnehmer*innen des Literaturseminars Mühsam in Meiningen einige Tage mit Leben und Werk Erich Mühsams beschäftigten. Und so erklommen die Literaturenthusiasten am 3. August 2022 – bei schweißtreibenden Temperaturen und abenteuerlichen Umwegen – die Hohe Maas.
Dort wurden sie von zwei Vertreterinnen des Wandervereins Bakuninhütte e. V. empfangen. Anas und Anja bewirteten die Besucher*innen mit Kaffee und Kuchen, vor allem aber begeisterten sie durch ihre kenntnisreichen, anschaulichen und lebendigen Ausführungen über dieses einmalige Denkmal innerhalb der Geschichte des deutschen Anarchismus. Neben spannenden Informationen zu den wechselvollen Nutzungsphasen der Bakuninhütte erfuhren die Besucher*innen auch etwas zu deren aktueller Funktion bzw. den noch zu lösenden Aufgaben, um die sich der Wanderverein Bakuninhütte e. V. bemüht: Neben notwendigen architektonischen Verbesserungen bzw. dem Ausbau zu einer vielfältig nutzbaren Bildungseinrichtung ginge es auch immer noch um die Spurensuche nach Überbleibseln aus den Anfängen der Anlage in den 1920er-Jahren.
Das Seminar, unter Leitung von Claudia Rouvel und Rudolf Wenzel aus Berlin, wurde vom Evangelischen Bildungswerk Bremen in der Reihe Literatur an Ort und Stelle veranstaltet und so musste auch der Bezug von Erich Mühsam zur Bakuninhütte klar werden. Dessen Aufenthalt, 600 Meter hoch, im schönsten Wald, ist durch Postkarten an seine Frau Zenzl (s. Zitat oben) belegt: Im Februar 1930 traf Mühsam auf der Bakuninhütte politisch Gleichgesinnte im Kampf gegen den aufkommenden Nationalsozialismus. Doch da ist noch mehr an „Bezug“. Der Namenspatron der Hütte, Michail Bakunin, war eine der anarchistischen Leitfiguren Mühsams, nachdem sich dieser vom egozentrischen Konzept Max Stirners ab- und dem kommunitaristischen von Bakunin zugewandt hatte. Ein Brief, den Mühsam 1923 aus der Festungshaft in Niederschönenfeld an Ricarda Huch, die Autorin einer Bakunin-Biographie (als Reprint der Ausgabe von 1923 wieder erhältlich) geschrieben hatte, zeugt nicht nur von seiner Begeisterung über die empathische Biographie, sondern auch für seine Bewunderung für den russischen Anarchisten, mit dem er wesentliche Aspekte seines Schicksals teilte.
Im Rahmen des Seminars wurden die Teilnehmer*innen gebeten, bei der Suche nach einem geeigneten Spruch für die eine, bisher noch vorhandene Aussparung an der Südseite der Bakuninhütte zu helfen, wo sich vermutlich in den 1920er-Jahren eine wie auch immer gestaltete Tafel befunden hatte. Ausgewählt wurde ein Ausspruch von Erich Mühsam, der auch beispielhaft für den selbstgestellten Auftrag des Wandervereins Bakuninhütte e. V. – übrigens Preisträger des Erich-Mühsam-Preises, vergeben von der Mühsam-Gesellschaft – stehen könnte:
Wir freuen uns – mit der noch ausstehenden Zustimmung des Denkmalamtes – diesen so treffenden Spruch bald an der Bakuninhütte anbringen zu können und so die Besuche Erich Mühsams an dem einzigen Kulturdenkmal des Anarchosyndikalismus zu würdigen.
Das Meininger Tageblatt/Freies Wort berichtete über diese Veranstaltung, in der gedruckten Ausgabe vom 12. August 2022, S. 8 und online am 11. August 2022.