Am 16.12.2012 veröffentlichten die Betreiberinnen und Betreiber der Website pourmaclasse.blog.de ein Interview mit Aktiven des Wanderverein Bakuninhütte e.V. Da das Interview die Arbeit des Vereins sehr schön darstellt, und der Blog leider nicht mehr online ist, veröffentlichen wir es hier.

Nach kurzer Recherche erfährt man schnell, dass die Bakuninhütte in Besitz des Wandervereins Bakuninhütte e.V. ist. Aber wer sind die Menschen dahinter, wer seid ihr?
Wir sind Einzelpersonen und Menschen unterschiedlicher Zusammenhänge und unterschiedlichster Altersstufen – vom Meininger Pfarrer a.D. über SozialarbeiterInnen und Arbeitslose bis hin zu StudentInnen und HandwerkerInnen. Einige unserer Mitglieder organisieren sich auch gesellschaftspolitisch z.B. gewerkschaftlich. Bis auf ein paar Grundbedingungen stehen wir allen Menschen gegenüber offen. Uns alle verbindet das gemeinsame Nutzungsinteresse an der Bakuninhütte – sei es aus historischen, ökologischen, gesellschaftspolitischen oder sonstig kulturellen Gründen.

Wie ist es gelungen, die Bakuninhütte zurückzugewinnen?
Nach gescheiterten Rückübertragungsanträgen in den Nach-Wendejahren schwand unsere Hoffnung die Hütte wieder zu nutzen. Erst nach der Jahrtausendwende erreichte uns die Nachricht, dass wieder Bewegung in die Sache kommt. Aus einer Pachtanfrage bei dem damaligen Eigentümer, dem Bundesvermögensamt, wurden Kaufverhandlungen. So war es letztlich nur noch eine Frage des Geldes. Es war nicht leicht das Geld dafür aufzutreiben – so viel hatte niemand von uns auf der hohen Kante. Doch haben es einige unserer aktivsten Mitglieder geschafft innerhalb kurzer Zeit die nötigen Mittel durch Privatkredite und Spenden von verschiedensten Menschen aus dem Bundesgebiet für unser Projekt aufzutreiben. Die gegenseitige Hilfe hatte schon in den 1920er und 30er Jahren den Bau der Bakuninhütte ermöglicht. 2005 gelang es dadurch, das circa 6 ha große Grundstück (zurück) zu kaufen. Aber auch die Waldgenossenschaft der zuständigen Gemeinde (Ellingshausen) hat ihren Beitrag dazu geleistet. Ohne sie hätten wir ein viel größeres Grundstück mit viel Waldfläche zu einem unerschwinglichen Preis kaufen müssen.

Seit der Rückgewinnung werden Reparaturarbeiten vorgenommen. Wie kommt ihr voran?
Der schlechte Zustand der Bausubstanz war wohl einer der Gründe, warum kaum jemand Interesse hatte, das Grundstück zu erwerben. Selbst wir sind seither regelmäßig negativ überrascht, wie viel wir noch zu tun haben. Aber auf ein Luxushotel im Wald kam es uns von vorn herein nicht an – der ideelle Wert stand im Vordergrund. Seit 2006 veranstalten wir jährlich Reparaturwochen – manchmal auch mehrere in einem Jahr. Dann kommen HelferInnen von Nah und Fern – nicht nur Mitglieder – und reparieren die Hütte unter fachlicher Anleitung Stück für Stück. Ausgebremst wurden wir leider vom Oktober 2009 bis März 2011 durch einen Bescheid mit Baustopp von der zuständigen Behörde. Unser Rechtsstreit dagegen hat uns viel Geld gekostet und somit zurückgeworfen. Seither sind wir mit aktualisierter Sanierungsabschnittsplanung und einer neuen Spendenkampagne wieder emsig dabei alles in Stand zu setzen. So gut es uns gelingt streuen wir die Termine unserer jeweils nächsten Reparaturwoche. Wir hoffen in den kommenden Jahren alle größeren Vorhaben abgeschlossen zu haben. Leider ist die Hütte bisher kaum nutzbar gewesen. Einerseits weil fast überall ständig Baustelle war, andererseits weil wir uns seit dem Rechtsstreit an ein Übernachtungsverbot in der Hütte halten müssen. Doch im kommenden Frühjahr ist unser erster größerer Raum fertig renoviert. Wenn also schönes Wetter ist und das Zelten wieder angenehm ist, dann können wir endlich auch die ersten angestrebten Nutzungsvorhaben in Angriff nehmen. Allen Interessierten sei mit auf den Weg gegeben: wir suchen nicht nur Geld sondern auch Menschen die Lust auf gesellige Gemeinschaftsarbeit oder sonstige Unterstützungsideen haben.

Ist die Bakuninhütte eine Wanderhütte?
Die Idee, die Bakuninhütte für Wandernde möglichst am Wochenende der warmen Jahreszeit geöffnet zu haben, ist leider auch durch den bereits genannten Bescheid versagt: “Übernachtung und Gastronomiebetrieb sind ausgeschlossen”. Solang diese Rechtslage aktuell ist, werden wir für Wandernde, wie bisher auch, alles Mögliche tun, um ihnen eine schöne Zeit auf dem Grundstück zu bereiten. Tatsächlich kommen an einem warmen Wochenende auch mal 30/40 Leute am Grundstück vorbei oder treffen sich dort sogar zwischen Weihnachten und Silvester mit Glühwein und Sekt. Im Sommer sitzt auch mal eine Gruppe Jugendlicher mit einer Decke auf der Wiese. Meistens jedoch verabreden sich HundefreundInnen, um mit ihren Liebsten durch die schöne Gegend zu spazieren und an der Hütte zu rasten. Für all diese naturverbundenen Freizeitkonzepte wollen wir gerne auch in Zukunft einen Freiraum bieten – ganz bewusst auch für nicht Vereinszugehörige. Neben der jährlichen Mitgliederversammlung und dem Tag des offenen Denkmals wollen wir nun auch verstärkt zu Pfingsten vor Ort sein – angelehnt an die historische Tradition vor Ort. Mitglieder sollten darüber hinaus die Möglichkeit haben, wann immer sie wollen, die Hütte und das Grundstück zu besuchen.

Was ist heute erhalten geblieben von der Zielsetzung der Freien Arbeiter Union Deutschland (FAUD) aus den 1920er Jahren?
Die Bakuninhütte entstand auf dem brachliegenden Feld, das als kollektives Landwirtschaftsprojekt von den Mitgliedern der Meininger FAUD-Ortsgruppe angelegt wurde. Wahrscheinlich war die Hütte schon damals weniger Ausdruck der FAUD-üblichen Gewerkschaftsarbeit an der Basis. Für uns sind die Notzeiten durch inflationsbedingte Lebensmittelknappheit kein aktuelles Thema mehr. Heute in aktualisierter Form anknüpfen können wir jedoch an das Ziel, das die Ortsgruppe und ihre Unterstützenden 1931 so formulierten: “Für private Erholung einzelner Genossen ist hier eine herrliche Gelegenheit geschaffen, die Absonderung und Naturverbundenheit zugleich mit einem Erlebnis des Gemeinschaftsgeistes der Bewegung zu bieten vermag. Noch mehr aber wird hoffentlich die Bakuninhütte künftig dienen können zur Abhaltung von Kursen und Arbeitszirkeln, die von kleinen Kreisen tätiger Kameraden […] abgehalten werden können.” “Eine Stätte […], die berufen sein soll, in der Zukunft noch viele Kameraden zur Erholung von den Anstrengungen des Kampfes und der Arbeit oder zu ernster Schaffens- und Studiengemeinschaft zu vereinigen.” “Die Bakuninhütte wird dann der ideale Ort für solches Gruppenleben und solche Gemeinschaftsarbeit unter älteren wie jugendlichen Kameraden oder mit Kindern unserer Genossen sein.”
Bildungsarbeit für Jugendliche und Erwachsene, in Zusammenarbeit mit anderen Vereinen und Institutionen, zu verschiedensten ökologischen, historischen oder politischen Themen ist ebenso ein längerfristiges Ziel, wie das der genossenschaftlichen Ferien- und Erholungsstätte für alle Mitglieder und vereinsnahen Personen mit ihren Familien.

Wie viel hat Bakunin, der Begründer des kollektivistischen Anarchismus, mit der Hütte zu tun?
So wie der Anarchismus allgemein keine heroische Bewegung ist, so war auch die Bakuninhütte nie ein Wallfahrtsort für fanatische Bakuninjünger, und wird dies niemals sein. Der Kollektivismus von Bakunin prägte die damalige Ortsgruppe dennoch nachhaltig, wie bereits Mitte der 1920er Jahre, als das erste Gebäude errichtet wurde, zu sehen war. Die Genossen haben gleich einen Gedenkstein für Michail Bakunin angefertigt und aufgestellt, ihre Hütte gleichzeitig mit einem Schild versehen: “Bakunin-Schutzhütte”. Auf die politische Heterogenität von damals verwies ein Gedenkstein für Francissco Ferrer, einer für Sacco&Vanzetti, eine Plastik mit zerbrochenem Gewehr – als Antikriegssymbol, der selbst erdachte Hüttenspruch und auch der Name des Trägerverein: “Siedlungsverein für Gegenseitige Hilfe” – in Anlehnung an Peter Kropotkin. Auch die Veranstaltungen mit bzw. Besuche von Augustin Souchy, Erich Mühsam und Emma Goldman sind Zeichen der damaligen politischen Vielfalt. Heute halten wir erst recht keine einheitliche Position über das politische Vermächtnis von Bakunin, legen aber aus historischen Gründen Wert auf den originalen Hüttennamen von damals. Viele unserer Mitglieder sind jedoch mit den freiheitlichen Vorstellungen des Anarchismus vertraut und beziehen sich positiv darauf.

Ihr führt inzwischen sogar ein Archiv. Was genau ist dort zu finden?
Seit 2005 hat der Verein damit begonnen alle Informationen über die Geschichte der Bakuninhütte systematisch zusammen zu tragen. Angefangen haben wir mit privaten Sammlungen und Nachlässen von Menschen, die private Recherche betrieben haben. Mit einer spezifisch auf unsere Bedürfnisse angepassten Archivsoftware haben wir dann begonnen alle Akten und sonstige Quellen zu erfassen, deren Bestand sich seither immer mehr ausdehnt. Dort finden sich Kopien von Akten aus öffentlichen Archiven, wissenschaftliche Veröffentlichungen sowie Fotos und andere Originale. Manche Originale haben wir in den Nachlässen von ehemaligen Genossen aus der Region gefunden, andere auf dem Grundstück selbst. Beispielsweise haben wir in einem alten Holzschrank in Meiningen große Teile der alten Bibliothek der FAUD-Ortsgruppe gefunden.

Seit 2008 nimmt die Bakuninhütte am Tag des offenen Denkmals teil. 2013 findet dieser am 8. September statt. Was ist für diesen Tag geplant?
Das Besondere an der Bakuninhütte ist ihre Einmaligkeit. Kaum ein anderes Objekt der anarchosyndikalistischen Arbeiterbewegung aus den 1920er/30er Jahren steht in Deutschland noch und erinnert an die verschüttete Historie. Und viele davon gab es ohnehin nicht. Um diese Einmaligkeit zu schützen, sehen wir es als eines unserer Ziele, das Bewusstsein über ihre Geschichte in die Öffentlichkeit zu tragen und dort zu verankern. Das Motto des Denkmaltages 2013 ist: “Jenseits des Guten und Schönen: Unbequeme Denkmale?”. Der 8. September 2013 ist also eine perfekte Gelegenheit für unser Anliegen, denn auf kaum ein Denkmal trifft die Kategorie “unbequem” besser zu als auf unsere Bakuninhütte. Der genaue Ablauf ist noch in Planung. Sicher ist, dass es wie jedes Jahr historische Führungen über das Gelände und Einblicke in die Hütte geben wird. Auch für das leibliche Wohl wird gesorgt sein.

Sollte es noch mehr Hütten, Häuser oder andere Orte wie die Bakuninhütte geben?
Historisch einmalig ist die Bakuninhütte. Dies sollte uns auch hilfreich sein, für den Fall, dass wir erneut einen Antrag auf öffentliche Unterschutzstellung der Bakuninhütte beim zuständigen Denkmalamt stellen werden. Ohne Frage würden wir uns jedoch wünschen, es gäbe noch viele solcher Projekte, die nicht nur die Geschichte der Ober- sondern auch der sozialen Unterschicht in den Blick nehmen. Der Blick zurück kann das Bewusstsein über eine eigene Tradition stärken – für einige moderne soziale Bewegungen. Solch eine Tradition kann als Rückenstärkung für aktuelle progressive Ansätze wirken. Sehen wir die Bakuninhütte im Hier und Jetzt als sozialen Raum an, an dem sich Menschen zusammenfinden können, wünschen wir uns natürlich viele Bakuninhütten.

Zu guter Letzt: Wie zufrieden seid ihr mit dem Projekt und was soll in der Zukunft noch erreicht werden?
Neben der Instandsetzung vom Gebäude und der Gestaltung des Außengeländes macht uns die aktuelle amtlich verordnete Nutzungsbeschränkung zu schaffen. Hier werden wir die Möglichkeiten aber noch ausloten. Zuerst geht es uns um die Erhaltung, dabei muss man sagen: von Hilfe können wir nicht genug bekommen. Eine Geld-, eine Arbeitskraft- oder eine Spende in Form von fachlicher Beratung ist immer willkommen. Wenn alle großen Arbeiten erledigt sind, möchten wir gerne allen Mitgliedern und anderen Vereinen und Gruppen die Nutzung der Hütte auf vielfältigste Weise ermöglichen. Gerne erweitern wir gemeinsam mit allen Interessierten unser Nutzungskonzept für die Hütte.