Der Autor B. Traven

Im Jahre 1905 machte ein junger radikaler Gewerkschafter in Magdeburg und Umgebung von sich reden. Er redete auf Veranstaltungen z.B. über „Sozialismus und Anarchismus“, übernahm Aufgaben, machte Vorschläge und wurde gewählt. Zuvor war er von seinen Eltern rausgeschmissen worden, weil er in Wallensen aufrührerische Reden unter den Arbeitern einer Brikettfabrik halten wollte – was die Arbeitsplätze seiner Familie gefährdet hätte.

Wenig später tauchte er in Gelsenkirchen im Ruhrpott auf und profilierte sich als fähiger Sekretär des Metallarbeiterverbandes, der auch versuchte – u.a. mit Theater“workshops“ – Kultur unter die Arbeiter zu bringen. Sein Name war Otto Feige, geboren am 23. Februar 1882 in Schwiebus (heute Swibodzin, PL). Genau im Jahre 1907, als Otto Feige in GK sang- und klanglos von der Bildfläche verschwand, tauchte in Essen am Stadttheater ein gewisser Ret Marut auf, angeblich Amerikaner in San Francisco geboren. In Essen trat er aber nie als Schauspieler auf, sondern erstmalig in Idar (heute I.-Oberstein). Waren Feige und Marut ein und die selbe Person? Viele halten das nunmehr für bewiesen. Andere „Travenolog*inn*en“ haben begründete Zweifel. BT‘s Familie bestreitet die Feige-Identität vehement. Also doch illegitimer Sohn des AEG-Chefs Rathenau oder gar des Kaisers Wilhelm? Das „Rätsel B. Traven“ scheint immer noch nicht letztendlich gelöst.

Absolut sicher ist jedenfalls, dass eben dieser Ret Marut die erste Manifestation des späteren B. TRAVEN war, des weltberühmten Schriftstellers, der ab 1925 Star-Autor der 1924 gegründeten, gewerkschaftseigenen Büchergilde Gutenberg wurde. Auch Marut war in der (Bühnen-)Gewerkschaft aktiv und als radikal bekannt. Zunächst tingelte Marut – nach einem Engeagement im bayerischen Ansbach – mit verschiedenen Theaterengagements durch die Ostprovinzen des Deutschen Reiches: Suhl / Ohrdruf in Thür., Crimmitschau in Sachsen, die Provinz Posen (Posznan) und erlangte eine Anstellung am Stadttheater Danzig. Dort kam seine Tochter Irene Zielke zur Welt, aber die Beziehung zur Kollegin und Mutter Elfriede scheiterte. Ab spätestens 1912 erarbeitete Marut sich bereits eine bescheidene Präsenz als Schriftsteller, neben seinen Verpflichtungen, nun am Schauspielhaus Düsseldorf. Ab 1915 sehen wir ihn als Autor in München und mitten im Krieg, ab 1917 als Herausgeber der frechen anarchistischen Zeitschrift „Der Ziegelbrenner“.

Ret Marut, Portrait um 1912

Ret Marut, Portrait um 1912

Folgerichtig Beteiligter der Münchener Räterepublik 1918/19 u.a. als Sozialisierungsbeauftragter der Presse, gelang ihm am 2. Mai 1919 knapp die Flucht, am selben Tag als Gustav Landauer ermordet wird. Als Route werden Wien, evtl. Budapest und Zürich angenommen, bevor er mit seiner Freundin Irene Mermet in Berlin und Köln auftauchte. Ab tauchte er ganz 1923, erst nach London und dann, 1924, nach Tampico in Mexico. Hier beginnt sein kometenhafter Aufstieg als sozial hoch engagierter Autor, der für die arbeitende Bevölkerung und die Indios schreibt.

Wahrscheinlich haben ihn neben der „Gruppe progressiver Rheinischer Künstler“ um F.W. Seiwert Anarchosyndikalist*inn*en bei Flucht und Weiterkommen unterstützt. Rudolf Rocker (Doyen der FAUD, der vor 1914 lange in London-Westend lebte) und andere in Berlin und die damals starke FAUD im Rheinland. In seiner Zeitschrift FANAL schrieb Erich Mühsam später seinen Suchaufruf an Marut – der Freund und Genosse werde gebraucht. Keine Antwort. Aber Traven soll Rocker, der mit Mühsam seine Identität kannte, 1945 in NY-Brooklin besucht haben. Der Anarchosyndikalist Augustin Souchy verhalf Traven in der Nazizeit zu seinem Verleger in Schweden, suchte in seinem mexikanischen Exil BT in Acapulco aber vergeblich auf. Ob Ret Marut nach 1919 jemals wieder in Thüringen war, bleibt Geheimnis – es ist aber davon auszugehen, dass er sich 1908 in seiner Zeit in Ohrdruf auch das berühmte Meininger Theater angesehen hat. „Der Ziegelbrenner“ erschien noch bis 1921 aus dem Untergrund. Kam der auch bis Meiningen? Wir wissen es nicht.

Ralf G. Landmesser, Vorsitzender der IBTG


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