* Stahlhelm und Hakenkreuz sind Deutschlands Untergang“. Ueber dieses Thema sprach gestern abend im vollbesetzten oberen Saal des Schützenhauses der bekannte Volksredner der „Deutschen Freidensgesellschaft“ Heinrich Vierbücher-Berlin in fast dreistündiger Rede. Wir hörten Vierbücher bereits im vergangenen Jahr. Das Thema hieß damals anders, – der tiefere Sinn war derselbe. Er heißt, auf kürzeste Formel gebracht: Krieg dem Kriege! Auch dieser Redner ging, wie tagszuvor der Anarchist Mühsam, von der heutigen Lage aus. Er teilte die große Gesamtnot in drei Gruppen, und zwar in das wirtschaftliche, politische und geistige Leid. Jeder dieser Teile beleuchtete er eingehend von seinem Standpunkt aus, streifte den Youngplan und seine Auswirkung und wandte sich schließlich aufs schärfste gegen die „Geschäftstätigkeit“ Krupps und Tyssens, die auf der einen Seite in reger Verbindung mit Frankreich usw. ständen, auf der anderen Seite aber den nationalen Gedanken predigten und Volksentscheide machten. Der Redner betonte, daß die nationalen Kreise allen Grund hätten, von diesen Stahlhelmleuten abzurücken, wie es bereits der Jungdeutsche Orden getan habe. Er schloss mit den Worten, daß, wenn es bereits eine Internationale der Wirtschaft gebe, eine solche der Menschheit nicht mehr fern sein könne. In der Debatte sprach als Einziger wiederum Hans Sippel und entwickelte, wie am Abend zuvor, die Ideale und Ziele der Bündischen Jugendbewegung. Im Schlußwort ging Vierbücher auf diese Gedankenwelt ein. Er bezog sich dabei u. a. auf „seinen Freund Erich Mühsam“ und tat folgenden interessierten [sic!] Ausspruch: „Im pazifistischen Gedanken sind wir uns restlos einig! Niemals mehr darf es zum Krieg kommen!“ Am vorhergehenden Abend sagte Erich Mühsam in aller Deutlichkeit: „Nur ein gewaltsamer Eingriff vermag die augenblickliche Lage zu ändern! Wenn wir uns mit den Waffen in der Hand gegenüberstehen…“ Wir fragen nun: In wieweit deckt sich diese Anschauung mit dem pazifistischen Gedanken der deutschen Friedensgesellschaft … oder – ist ein Bürgerkrieg kein Krieg?
–f.Meininger Tageblatt, Nr. 34/1930, Montag, 10. Februar, S. 3